Nach der schweren Erdbebenkatastrophe am 6.2.2023 hat das Deathcare Embalmingteam Germany e.V. (Deathcare) im Schulterschluss mit dem Bundesverband Deutscher Bestatter e.V. (BDB) seine sofortige Hilfe der Bundesrepublik Deutschland und dem Generalkonsulat der Republik Türkei angeboten. Das Generalkonsulat der Republik Türkei forderte sodann die akute Nothilfe von Deathcare an und erteilte die Akkreditierung.
Mit dem weltweit einzigen Hilfsangebot unterstützt das ehrenamtliche Deathcare-Team bei der Bergung von Verstorbenen und hilft den Helfern. Mit der Vor-Ort-Versorgung der Todesopfer im Katastrophengebiet erbringt der Verein unentgeltlich humanitäre Hilfe.
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Seit dem 10.2.2023 sind unsere Spezialisten aus ganz Deutschland im Erdbebengebiet zwischen Kahramanmaraş und Gaziantep – und sie fangen dort an, wo die Lebensrettung aufhört. Als Mediziner, Forensiker, Psychologen und Bestatter sind die Experten mit den Themen Tod und Trauer aus Ihrem täglichen Arbeitsalltag vertraut. Durch ihre Hilfe werden nicht nur die verstorbenen Opfer kompetent und mit dem gebührenden Respekt versorgt, sondern zusätzlich werden die lebensrettenden und unterstützenden Hilfsorganisationen sowohl psychisch als auch physisch entlastet. In Absprache mit den örtlichen Hilfskräften und Ermittlungsbehörden erfolgt die Unterstützung von Deathcare. Die Einsätze sind Hilfe für die Opfer, die Angehörigen, für Helfer und für offizielle Stellen. Diese haben eine Verlängerung des Einsatzes angefordert.
Nach gut einer Woche im Einsatz ist das erste Team abgelöst und weitere Mitglieder von Deathcare übernehmen die wichtige Aufgabe, Verstorbene zu bergen, zu versorgen und zu identifizieren. Dies sind Maßnahmen, die einerseits das Ausbrechen von Seuchen verhindern sollen, andererseits schafft das Identifizieren die wenngleich traurige Gewissheit, wer die verstorbene Person war. Die Öffnung von zerstörten Häusern und Wohnblöcken erfolgt mittels schweren Geräts von den örtlichen Hilfskräften. Deathcare unterstützt bei der Suche von verstorbenen Menschen, übernimmt diese von den örtlichen Helfern, sorgt für den Transport von der Unglücksstelle zu einer zentralen Stelle zur Identifizierung. Deathcare hilft im Rahmen des so genannten „management of dead bodies“ den Ermittlungsbehörden bei der Identifizierung der verstorbenen Personen. Nach Freigabe zur Bestattung werden die verstorbenen Körper desinfiziert und für den Transport zum Friedhof vorbereitet. Deathcare wickelt hierbei auch den Transport zum Friedhof ab.
Nächtliche Einsätze und nur wenige Stunden Schlaf werden durch Herzlichkeit, Dankbarkeit und Wertschätzung belohnt – genauso wie durch das Glück, jemanden lebend aus den Trümmern bergen zu können. Zwischen 150 und 300 Verstorbene sind es jeden Tag, die geborgen und kompetent versorgt werden. Manches Bestattungshaus betreut so viele Fälle in einem ganzen Jahr. Damit ist auch klar, dass sich bei aller Professionalität die Eindrücke nur gemeinsam verarbeiten lassen. Das Team fängt sich auf, unterstützt sich gegenseitig und kann so die Kraft zum Weitermachen schöpfen.
Zum Abend des 19.02.2023 erreicht das Team der Hinweis, dass in den meisten Regionen die Bergungsarbeiten beendet werden. Unser Einsatzteam ist bei der Bergung aus Trümmern auf schweres Gerät vor Ort angewiesen. Deshalb wurde zeitnah in Absprache mit dem Einsatzleiter entschieden, den Einsatz zu beenden. Ein weiteres Team musste demzufolge nicht mehr geordert werden. Der Einsatzleiter hat entschieden, das Einsatzzelt vor Ort als Spende zu überreichen, damit es als Unterkunft für Menschen dienen kann, deren Wohnung bzw. Haus durch das Erdbeben zerstört wurde. Gleiches wurde in Bezug auf Feldliegen entschieden.
Insgesamt konnten beide Teams schätzungsweise bis zu 2.000 Verstorbene begleiten und zur Bestattung vorbereiten. Dadurch haben die Teams einen entscheidenden Beitrag zur Bestattung und Seuchenprävention geleistet sowie für eine Entlastung der Rettungsteams, die auf die Lebensrettung spezialisiert sind, und der türkischen Hilfskräfte gesorgt. Zusammenfassung: „Wir kamen als Helfer und gingen als Freunde“.
Zum Abschluss des Einsatzes wird noch eine Nachbesprechung mit beiden Teams, den Einsatzleitern sowie dem Organisationsteam aus Deutschland angesetzt und durchgeführt.
Am Dienstag, den 21. September 1999, um 1:47 Uhr Ortszeit bebte die Erde in Taiwan in der Region um Taichung, Puli und in der Hauptstadt Taipeh mit einer Stärke von 7,6 auf der Richterskala. Hunderttausend Menschen wurden in wenigen Sekunden obdachlos, ca. 4.000 wurden zum Teil schwer verletzt und 2.500 kamen bei den Erdstößen ums Leben. Landesweit wurden durch die Kraft der Naturgewalt ca. 30.000 Gebäude so weit zerstört, dass sie unbewohnbar wurden. Als wir von den schrecklichen Ereignissen, die sich in Taiwan ereignet haben, durch das Fernsehen erfahren haben und den damit verbundenen Hilferuf der taiwanesischen Regierung, hat unser Team sofort Kontakt aufgenommen mit der „Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland“, um dieser unsere Hilfe anzubieten. Nach der Rücksprache der Vertretung mit der Regierung in Taiwan wurde das Team am Freitag, den 24. September 1999, offiziell angefordert.
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Unter größter Eile wurde dann ein Team von 17 Bestattern, darunter zwei Frauen, zusammengestellt, denn am Samstag sollte der Flug nach Taiwan starten. Da die Kollegen aus ganz Deutschland kommen, haben wir uns in Paris getroffen und sind von dort, mit Zwischenlandung in Dubai, nach Taiwan geflogen. Reisezeit mit Aufenthalten: 20 Stunden. Das Team nahm ca. 700 Kilogramm an Spezialausrüstung und Desinfektionsmitteln zu dem noch zusätzlich vorhandenen persönlichen Gepäck mit. In Taiwan angekommen (am Morgen des Sonntags, dem 26. September 1999) wurden wir von den Herren Phillip Chen und Sheng-tay Shen, die uns bei dem gesamten Einsatz als Dolmetscher und Verbindungsmanager zur Seite standen, mit einem Bus und einem LKW für das Material abgeholt. Danach fuhren wir nach einer kurzen Vorstellung und der Klärung der Situation zu einer chemischen Fabrik, die nach den Angaben unseres Chemikers die formalinhaltige Lösung gemischt hatte. Nach dem Aufladen ging es dann in den am stärksten betroffenen Bezirk Nantou, in dem auch die Stadt Taichung lag. Nach dem Eintreffen im Hotel und der Belegung der Zimmer fand eine kurze Besprechung statt, wer die Lage in der Stadt sondieren sollte. Nachdem sich eine Gruppe gefunden hatte, machte sich diese mit unseren Begleitern auf den Weg, um unser Einsatzgebiet zu begutachten. Da die Zeit schon weit fortgeschritten war und es in der gesamten Stadt weder Strom (bis auf eine aufgebaute Notbeleuchtung) noch fließend Wasser gab, war die Begutachtung der Situation sehr schwierig. Eingestürzte Häuser lagen gespenstisch an noch stehende angelehnt, riesige Schuttberge versperrten die Straßen und überall wurde fieberhaft von Rettungsteams nach Überlebenden gesucht.
An einer zentralen Stelle standen dann die Container mit den Verstorbenen. Nach dem Öffnen mussten wir feststellen, dass die Verstorbenen tiefgekühlt in Bodybags gelagert wurden und eine Versorgung mit formalinhaltigen Mitteln nicht erforderlich war. Nach der Rückkehr im Hotel wurde die vorgefundene Lage mit dem Team besprochen und es wurde beschlossen, am nächsten Morgen mit Desinfektionsmaßnahmen und Beratung der Rettungsmannschaften zu beginnen. In der Nacht hat die Stadt ein Nachbeben mit einer Stärke von 6,8 auf der Richterskala erschüttert und uns aus dem Schlaf gerissen, von diesem Zeitpunkt an war an Schlaf nicht mehr zu denken. Am nächsten Morgen ging es dann zum Einsatzgebiet, um mit den Desinfektionsmaßnahmen zu beginnen. Diese Arbeit war schnell beendet und unsere Hilfe wurde dann in der Hauptstadt Taipeh im Gerichtsmedizinischen Institut benötigt.
Wir sollten die Gerichtsmediziner bei der Identifizierung der Opfer unterstützen, da jede Familie, die den Verlust eines Familienmitgliedes durch das Erdbeben beweisen konnte, eine Unterstützung vom Staat über 30.000 D-Mark erhielt. Diese Arbeit verrichteten wir dann bis zu unserer Rückreise am Mittwoch, den 29. September 1999. In der Zwischenzeit haben wir der örtlichen Presse und dem Fernsehen noch einige Interviews gegeben, da unser Einsatz mit sehr großem Interesse von der Bevölkerung verfolgt wurde. Wir konnten in Taipeh einige Kontakte zu anderen Hilfsorganisationen knüpfen und ihnen unsere Arbeit, die bis dorthin nicht bekannt war, erfolgreich näherbringen. Als wir von unseren Begleitern am Flughafen verabschiedet wurden, haben sie uns mit Ehrungen der Regierung, der Feuerwehr und von verschiedenen Organisationen zurück nach Hause gelassen. Der größte Lohn für die Helfer jedoch war die Dankbarkeit der Bevölkerung, als das Team durch die Abflughalle ging, wobei unsere geleistete Hilfe über Lautsprecher verkündet wurde und die anwesenden Menschen in der Halle spontan aufstanden, um uns Beifall zu spenden.
An dieser Stelle möchten wir unseren Begleitern, der Regierung und den Rettungsteams ein großes Kompliment machen für die reibungslose und unkomplizierte Zusammenarbeit, es war alles bis ins Detail organisiert worden, was unter diesen Umständen bestimmt nicht einfach war.
Mittwoch, den 18.08.1999
Die Bilder der Erdbebenkatastrophe vom Vortag hatten mich, wie die meisten Menschen, sehr erschüttert. Die Anzahl der Verstorbenen wurde nahezu stündlich heraufgesetzt. Aus meiner Sicht als Bestatter und Thanatopraktiker sah es so aus, als würde die Lage der Bevölkerung immer aussichtsloser. Die Bilder im Fernsehen zeigten unter anderem, dass Krankenhäuser große Probleme mit der Lagerung der Verstorbenen hatten. Dieser Bericht am Mittwochabend brachte mich zu dem Entschluss, am nächsten Tag mit den entsprechenden Hilfsorganisationen in Deutschland in Verbindung zu treten, um meine Hilfe als Thanatopraktiker im Krisengebiet anzubieten.
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Donnerstag, den 19.08.1999
An diesem Morgen rief ich zunächst das Auswärtige Amt in Bonn an. Nach einem freundlichem Gespräch mit dem zuständigen Herrn stellte sich heraus, dass sie wohl gerne meine Hilfe in Anspruch nehmen wollten, es aber aus logistischen Gründen nicht möglich war, Mensch und Material in das Krisengebiet zu entsenden. Er verwies mich an die Hilfsorganisationen in Deutschland, die bereits in der Türkei vor Ort seien. Alle vier Organisationen hatten jedoch mit ihren eigentlichen Aufgaben so viel zu tun, dass sie keine Möglichkeit sahen, uns mit in das Krisengebiet zu befördern. Nach einem Rundruf bei meinen Kollegen, die eine Ausbildung zum Thanatopraktiker oder Thanatologen absolviert hatten, stellte sich heraus, dass große Bereitschaft bestand, an einem Hilfseinsatz im Erdbebengebiet teilzunehmen. Daraufhin wollte ich nicht aufgeben und schickte ein Hilfsangebot an das türkische Generalkonsulat in Berlin, die Konsulate in Istanbul und Ankara. Eine Antwort blieb an diesem Tage aus.
Freitag, den 20.08.1999
Als ich an diesem Morgen bis 9:30 Uhr keine Antwort der Konsulate bekam, war für mich der Einsatz als vergebens erledigt. Um 10:00 Uhr jedoch bekam ich einen Anruf vom türkischen Konsulat aus Berlin, das sich sehr bedankte für mein Hilfsangebot für die Menschen in der Türkei. Nach Absprache zwischen den Konsulaten Berlin und Hannover wurde entschieden, dass das türkische Konsulat in Hannover die Organisation der Flüge in das Erdbebengebiet übernehmen sollte. Um 10:30 Uhr erhielt ich den Rückruf aus Hannover mit der Bestätigung der Flüge für 10 Personen um 16:20 Uhr vom Flughafen Hannover aus nach Istanbul. Diese 6 Stunden bis zum regulären Abflug erforderten dann von den angerufenen Kollegen und mir eine sportliche und logistische Höchstleistung. Unser Glück war, dass die Maschine 2 Stunden Verspätung hatte und somit erst um ca. 18:30 Uhr startete. Trotz der teilweise erheblichen Entfernungen zum Flughafen Hannover waren wir mit 8 Kollegen und 890 kg Material rechtzeitig an Bord der Maschine der Turkish Airlines. In Istanbul gelandet, führte uns eine mitgereiste Dolmetscherin unbürokratisch durch die Zollkontrollen und organisierte, dass unser Material auf Flughafenwagen verladen wurde. Sie übergab uns an zwei türkische Dolmetscher, die uns in die Stadt Gölcük begleiten sollten. Isil Dag und Serkan Gözüacik, die sich freiwillig am Flughafen beim Krisenstab gemeldet hatten, um uns zu begleiten, waren uns eine große Hilfe, um uns zu verständigen in einem Gebiet, in dem niemand Englisch sprach. Ohne sie wäre unsere Hilfe nie so erfolgreich gewesen. Ihnen möchte ich im Namen aller noch einmal von ganzem Herzen danken. Nach einer Tetanusimpfung im besten Krankenhaus der Stadt fuhren wir mit einem für uns bereitgestellten Bus unter Polizeischutz mit Blaulicht in Richtung des 180 km entfernten Gölcük. Die ersten Eindrücke auf uns, als wir aus dem Bus ausstiegen, wird wohl niemand von uns vergessen können. Dieses Ausmaß an Zerstörung, die Hilflosigkeit in den Gesichtern der Menschen haben sich tief eingeprägt.
Samstag, den 21.08.1999
An diesem Morgen haben wir zunächst einmal die Lage in der Stadt begutachtet. Gölcük ist eine Stadt mit ca. 130.000 Einwohnern, die geteilt ist in einen militärischen und einen Wohnbereich. In dem militärischen Sicherheitsbereich entstand mit Unterstützung des Militärs unsere Hauptstation. Von den Kollegen zu Hause wurde unterdessen eine zweite Gruppe zusammengestellt, die an diesem Tag zur gleichen Zeit von Hannover nach Istanbul flog. Die Unterstützung des Militärs vor Ort war für uns gut, jedoch musste die Zivilbevölkerung oft zu lange auf Hilfe warten. Unsere Hauptaufgabe bestand in den nächsten Tagen darin, die Verstorbenen zu bergen, mittels einer Bauchinjektion zu konservieren, um sie dann in mit Desinfektionsmittel getränkte Tücher zu legen, so dass sie über weitere Strecken transportiert werden konnten. Die ersten 200 Verstorbenen, die wir konserviert hatten, waren fast ausschließlich aus einem Haus. In diesem Haus hatte am Abend des Erdbebens die Verabschiedung der alten und die Aufnahme der neuen Rekruten stattgefunden. All diese jungen Leute zwischen 18 und 20 Jahren fielen dem Erdbeben zum Opfer.
Sonntag, den 22.08.1999
Am frühen Morgen dieses Tages wurden wir durch die Anreise der zweiten Gruppe geweckt. An diesem Tag teilten wir die Gruppe auf, so dass wir auch mitten in der Stadt eine Station zur Versorgung der Verstorbenen einrichten konnten. Unsere Hilfe wurde immer häufiger von der Bevölkerung angenommen. Der dramatische Zeitpunkt an diesem Tag war der Moment, als im Hauptlager Chaos ausbrach und keiner wusste, warum. Plötzlich rief jemand: „Quarantäne, Quarantäne − mindestens 4 Wochen!“ Für uns ein Alarm und gleichzeitig das Zeichen zum sofortigen Aufbruch aus der Stadt unter Zurücklassung aller persönlichen Sachen. Als wir jedoch das Stadttor passiert hatten, stellte sich heraus, dass es blinder Alarm war! Unsere Nerven lagen blank! Wir fuhren zurück in unser Lager und arbeiteten bis in den späten Abend weiter.
Montag, den 23.08.1999
Als dritte Station in Gölcük wurde in Zusammenarbeit mit dem Militär ein LKW umgerüstet. Mit dieser mobilen Station fuhren wir durch die Stadt und halfen dort, wo unsere Hilfe benötigt wurde. Der Appetit der einzelnen Teilnehmer ließ trotz guter Versorgung entsprechend der Lage zu wünschen übrig. Temperaturen von über 30 Grad Celsius und der über der Stadt liegende Totengeruch taten das Ihre. Unsere Hauptstation, bei der wir auch in kleinen Zelten schliefen, wurde zum Dreh- und Angelpunkt. An diesem Abend mussten die ersten Helfer von uns wieder zurück nach Deutschland. Sie wurden mit einem Rettungswagen von Gölcük nach Istanbul gebracht, um von dort aus am nächsten Tag zurückzufliegen.
Dienstag, den 24.08.1999
Die Lage vor Ort wurde durch den zeitweisen Regen unangenehmer. Viele der Hilfsorganisationen waren bereits abgereist. Die Kollegen der Grubenwehr, mit denen wir in den vergangenen Tagen oft zusammengearbeitet hatten, konnten an diesem Tag ebenfalls den Ort verlassen. Viele von ihnen waren am Rande des Zusammenbruchs, körperlich und psychisch. Unsere zweite Gruppe verließ an diesem Tag Gölcük, so dass wir nur noch 5 Thanatopraktiker und Thanatologen waren.
Mittwoch, den 25.08.1999
Die Lage spitzte sich zu. Der Regen verwandelte die ohnehin schon total zerstörte Stadt in ein Gemisch aus Schlamm, Dreck, Fäkalien, Lebensmittel- und Leichengeruch. Trotz der vielen Hundert Toten, die noch nicht geborgen waren, verließen alle Hilfsorganisationen mit ihrem schweren Gerät die Stadt. Die Bewohner von Gölcük waren verzweifelt. Sie baten uns immer wieder, zu helfen, wir konnten jedoch nicht viel machen ohne die Hilfe von schweren Bergegeräten. Wir entschieden, den Ort zu verlassen. Immer wieder wurde über Quarantäne gesprochen, so dass uns das Militär mit einem Hubschrauber aus Gölcük ausfliegen wollte. Als wir auf dem Weg zum Flughafen mit unserem LKW durch die Stadt fuhren, wussten die Bewohner, dass wir nichts mehr für sie tun konnten. Sie unterbrachen ihre Arbeit und applaudierten uns. Sie weinten, schüttelten uns die Hände und waren aus tiefstem Herzen dankbar. Diesen Moment wird niemand von uns vergessen. Die Zahl der Verstorbenen, die wir insgesamt versorgt haben, lag am Ende dieser Tage bei ca. 600.
Donnerstag, den 26.08.1999
Nach einer Übernachtung in einem sehr guten Hotel in Istanbul, bezahlt von der türkischen Regierung, flogen wir dann am Donnerstag zurück nach Deutschland. Selbst im Flugzeug bedankte sich der Pilot und alle türkischen Passagiere standen auf und klatschten. Angekommen in Deutschland, fing zunächst für uns die Zeit des Nachdenkens an. Wie unwesentlich doch viele tägliche Probleme sind! Wie groß das Elend der Bevölkerung war und vieles andere mehr. Trotzdem war auch ein gutes Gefühl da. Ein Gefühl, dass unsere Hilfe benötigt wurde, und die große Dankbarkeit der Bevölkerung. Jeder von uns würde einen solchen humanitären Einsatz sofort wieder machen. Ein Dank an alle, die geholfen haben, diesen Einsatz möglich zu machen.
Dieter Sauerbier, Büren
Herzlichen Dank
DeathCare Embalmingteam I.G., Germany